Mittwoch, 7. November 2012
Praktikumsarbeit
Mein 3 Monate dauerndes Praktikum
absolviere ich in der städtischen Behörde von Kandy, welche für die
Trinkwasserversorgung der Stadt und Umgebung verantwortlich ist (Municipal
Council Kandy; Water Work Department). Dabei steht nicht nur die praktische Arbeit
im Mittelpunkt, sondern das Verstehen und Untersuchen der einzelnen Systeme,
wie Trinkwasserfassung, Trinkwasseraufbereitung, und die Trinkwasserverteilung,
nimmt ebenfalls einen sehr grossen Teil in Anspruch. Einen von mir erfassten
Bericht über die Funktionsweise und Leistungen der einzelnen Systeme, soll als
Informationsgrundlage für kommende Besichtigungen von Schulen und Studenten
dienen. Zusätzlich werden die einzelnen Anlagen in ihrem momentanen Zustand
erfasst, ihre Probleme aufgezeigt und Verbesserungsvorschläge ausgearbeitet.
Den ersten Monat arbeitete ich in
der Trinkwasseraufbereitungsanlage „Water Tratment Plant Centre Kandy –
Getambe“, welche 36‘000m3 Trinkwasser für die Bewohner herstellt.
Das aufzubereitende Wasser wird von dem naheliegenden“ Mahaweli-River“
entnommen und mehrfach aufbereitet. Die Aufbereitungsanlage und das konzipierte
System sind bereits 20 Jahre alt. Die Qualität des Trinkwassers ist jedoch
gewährleistet und entspricht dem Standard von Sri Lanka.
2.5 km vom Stadtzentrum befindet
sich ein geschütztes Naturwald-Reservoir; das Dunumadalawa Forest Reserve. Ein
480 Hektar grosses Gebiet, welches auf 550 bis 980m.ü.M. liegt wird zusätzlich
als natürliche Trinkwasserfassung für die Stadt Kandy genutzt. Im ganzen Wald
befinden sich teils natürliche, teils künstliche Quellen. Das Quellwasser wird
in einem Reservoir (eigentlich ein künstlich angelegter See) gesammelt und
anschliessend aufbereitet. In diesem Schutzgebiet leben viele seltene und
endemische Pflanzen und Tiere. Unteranderem kann man mit sehr viel Glück einen Leopard
sehen.
Bis jetzt verläuft mein Praktikum
nach Plan. Der Support seitens den Arbeitern und Chefs ist sehr gross. Zum
Arbeiten bin ich jedoch nicht so viel gekommen. Die Anzahl Mitarbeitende wird
immer für den worst case gerechnet. Die Überkapazität bedeutet bei Normal-Betrieb,
dass immer einige Mitarbeiter nichts zu tun haben und Zeitung lesen, schwatzen
oder einfach in die Luft schauen. Daher habe ich den Schwerpunkt vermehrt auf
die Untersuchung der einzelnen Systeme gelegt.
Die nächste Woche starte ich mit
der Untersuchung des Verteilungssystems und den einzelnen Pumpstationen und
Wassertanks. Ich freue mich schon all die entlegenen Orte in der Umgebung zu
besichtigen, da die Wassertanks meist in den Bergen oberhalb der Stadt liegen.
Der Abschluss meines Praktikums
ist nicht vollständig geklärt und noch in Planung. Wenn möglich werde ich eine
Grundwasserfassungsanlage besichtigen, um eine möglich grosse Anzahl an
verschiedenen Systemen kennen zu lernen. Eine andere Möglichkeit bietet eine
neugebaute Trinkwasseraufbereitungsanlage in der Nähe der Stadt Kandy, welche
jedoch nicht zum Municipal Council Water Works Department gehört.
Mentalität und Kultur
Wie bereits erwähnt ist die Stadt
Kandy die traditionellste Stadt Sri Lankas und die Mentalität der Menschen ist
sicher konservativer als beispielsweise in Colombo. Bis jetzt umfasst mein
Bekanntenkreis vorwiegend Singhalesen und einige Tamilen. Mit Muslimen bin ich
eher weniger bis selten in Kontakt getreten. Das Leben der meisten Bürger/innen
konzentrieren sich auf zwei Dinge; Familie und Arbeit. Besonders die ärmeren
Personen arbeiten nicht selten 7 Tage die Woche und dies das ganze Jahr;
manchmal auch 12 Stunden am Tag. Viel Freizeit bleibt da nicht mehr. Die wenige
Zeit wird mit der Familie verbracht, oft Zuhause. In den Feiertagen, wie zum
Beispiel an jedem Vollmond, werden die viele Tempelanlagen oder andere
Religiose Feste und Rituale besucht. Die obere Schicht, welche Geld für
Freizeitaktivitäten zu Verfügung haben, arbeitet am Wochenende nicht und gönnt
sich ab und zu Urlaube an den Küstengebieten. Doch egal ob reich oder arm, die
Menschen sind sehr offen und gastfreundlich. Ich wurde schon von vielen Arbeitern
zum Essen oder auf einen Schluck Arrack (lokaler Wisky) nach Hause eingeladen.
Alkohol ist in der Öffentlichkeit tabu und nur an lizenzierten Verkaufsständen
erhältlich. Eine Bar (ausgenommen von Hotels und anderen touristischen Orten)
oder ein Nachtklub gibt es in Kandy nicht. Dies gilt jedoch nicht für Colombo und
die Touristischen Zentren an den Küstengebieten.
In den ersten Wochen dachte ich,
die Menschen in Sri Lanka sind sehr bedacht das Leben zu geniessen und ihre
freie Zeit und Eigenständigkeit zu bewahren. Ich dachte die Menschen sind mehr
gelassen und denken nicht nur an Arbeit und Geld. Doch merkte ich, dass Geld
allzu oft im Mittelpunkt steht. Jeder und jede versucht auf seine/ihre Weise
das Business zu vergrössern und an mehr Geld zu kommen. Nicht aus Gier, sondern
viele sind gezwungen, da die Gehälter besonders für nicht gut gebildete
Arbeiter sehr tief sind. Doch Neid auf andere, reichere, einflussreichere
Menschen ist kein Thema. Im Gegenteil; oft spürt man Bewunderung und grosser
Respekt gegenüber den eigenen Chefs.
Etwas was einem sofort ins Auge
sticht, sind die immer vornehm gekleideten Personen auf der Strasse. Jeder Mann
trägt in der Öffentlichkeit immer ein Hemd oder wenigsten ein Polo-Shirt mit
einer Anzugshose. Die Frauen tragen das traditionelle Gewand; den Sari.
T-Shirts sind sehr selten auf der Strasse. Auch die junge Generation kleidet
sich, als ob sie in einer Bank in der Schweiz arbeiten. Doch erkannt man eine
leichte Veränderungen; zumindest junge Passanten tragen manchmal ein T-Shirt
und Jeans oder kurze Hose.
Das andere was man schnell
bemerkt und was einer der grössten Unterschiede zu der Schweiz darstellt, sind
die vielen lachenden und fröhlichen Personen. Auch während der Arbeit sind
Witze und Jokes nicht weg zu denken.
Die Kultur ist all gegenwärtig.
Überall sieht man Tempel, Statuen von Budda. An den Festen und Buddhistischen
Ritualen kommen viele Leute zusammen. Meiner Meinung nach kann zumindest in
Kandy Kultur mir Religion gleichgesetzt werden. Denn andere als religiöse
Hintergründe, eine gelebte Kultur auf den Strassen, sucht man fast vergebens.
Kandy; die Stadt in der ich wohne und arbeite
Kandy liegt im zentralen Gebirge
der Insel auf etwa 500m ü. M. und ist mit etwas mehr als 100‘000 Einwohner die
dritt grösste Stadt Sri Lankas. Dank der geografischen Lage steigen die
Temperaturen nicht wie vielerorts in Küstennähe, auf 30°C und mehr, sondern
pendeln gewöhnlicher weise zwischen 22°C in der Nacht und 28°C am Tag.
Für viele Sri Lanker ist Kandy
das Synonym für singhalesische Kultur und Identität. Die alte Königsresidenz
konnte sich über mehrere Jahrhunderte hinweg erfolgreich gegen die
Eroberungsversuche der Kolonialmächte wiedersetzten; bis die letzte Königstadt
Sri Lankas im Jahr 1815 von den Briten erobert wurde. Der Zahntempel, einer der
3 wichtigsten Buddhistischen Tempel der Insel, befindet sich direkt neben dem
künstlich von einem damaligen König angelegten Kandysee. Der Tempel beherbergt
einen Zahn Buddas
aus dem 4. Jahrhundert und dient noch heute als Pilgerstätte und Kloster. Ein
richtiges Stadtzentrum findet man vergebens. Die vielen Geschäfte, Restaurants
und die überall zu findenden einfach gebauten Verkaufsstände, aber auch die
Wohnhäuser / Wohnbauten (manchmal eher wellblechartige Gebilde) Konzentrieren
sich entlang der 3 Hauptstrassen. Obwohl sich die Stadt mitten in den Bergen
befindet und die Erschliessung mit gut befahrbaren und wetterfesten Strassen
nicht allzu lange her ist, ist Kandy doch eine der am weitesten entwickelten
und wohlhabenden Gegenden der Insel. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass Kandy
nicht im Bürgerkriegsgebiet lag und abgesehen von einigen Anschlägen weitgehend
verschont blieb.
Das Viertel in dem ich wohne
befindet sich etwa 3 Kilometer vom Stadtkern entfernt und heisst Talwatta. Eine
eher ruhigere und bessere entwickelte Gegend der Stadt. Viele Familien im
oberen Mittelstand wohnen in dieser Gegend, in vergleichsweise guten und
grossen Häusern. Ich wohne bei einer Familie, welche regelmässig Studenten aus
aller Welt beherbergt und gute englisch Kenntnisse besitzt. Das Essen ist immer
vorzüglich, wenn auch etwas scharf. Am Anfang musste ich mich zwar an die
verwendeten Mengen von Chili und Pfeffer gewöhnen, doch würde mir jetzt das
Essen fad erscheinen, wenn diese Zutaten in dieser Menge fehlen würden. Ich
fühle mich sehr wohl in meinem Zuhause und in meinem Gastland.
Auf die Frage hin, ob Sri Lanka
den Vorstellungen vor meiner Ankunft entspricht, kann ich nicht beantworten.
Ich mache mir nie zu viele Gedanken und Vorstellungen über Orte an denen ich
nicht war. Eine offene und neugierige Art, vermischt mit dem gesunden
Menschenverstand und Respekt, führten bis jetzt immer zu zufriedenen und
spannenden Reisen.
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